Ein Leben in den Slums von Caracas ist ohnehin kein Zuckerschlecken. Doch was passiert, wenn gefühlt das ganze Viertel hinter dir her ist?
In einer solchen Situation befindet sich der zwölfjährige Pedro (Reggie Reyes). Provoziert von einem anderen Jungen, verletzt er ihn lebensbedrohlich mit einer Glasscherbe. Zum Entsetzen seines alleinerziehenden Vaters Andrés (Giovanny García): Aus Angst vor der Rache der Angehörigen verlässt er fluchtartig mit Pedro die Armensiedlung. Pedro hingegen sieht seine Schuld nicht ein und behauptet, er würde mit den Leuten schon fertigwerden.
Für beide zählt – das muss mit der Zeit auch Pedro einsehen – fortan nur noch das nackte Überleben: Unentdeckt zu bleiben ist dabei ein Faktor. Der andere ist das Geld: Um sofort das Viertel zu verlassen, muss zunächst der Taxifahrer mit 3.500 Venezolanischen Bolívar bestochen werden. Umgerechnet sind das für uns lächerliche 5 Cent, für Andrés ist es eine bittere, aber notwendige Investition im Kampf ums Überleben.
Um der notorischen Geldnot zu entfliehen, greift Andrés auf altbekannte Arbeitskontakte zurück. Pedro wird in die Arbeit mit eingegliedert – für ihn eine bisher unbekannte Situation.
Während der Vater voller Verzweiflung ist, versucht der Sohn, voller jugendlichem Leichtsinn seine Tat zu entdramatisieren. Doch beide sind voneinander abhängig. Ein ohnehin schon angespanntes Verhältnis wird in einer Extremsituation auf die Probe gestellt. Wird die Situation das letzte Band zwischen beiden zerreißen oder können sie sich zusammenraufen?
Die Emotionen der beiden Hauptdarsteller, eigentlich nur noch zwischen negativen Polen schwankend, beherrschen den Film: Scham, Schuldgefühle, Angst, Verzweiflung, Wut und Trauer wechseln sich ab. In den erstarrten Gesichtern der Protagonisten spiegeln sich zwei Menschen wider, die den Glauben an das Gute im Menschen verloren haben.
Besonders eindringlich spürbar ist das Elend in der Armensiedlung von Caracas: Tausende von Menschen leben dort in kolossalen, tristen Gebäuden aufeinander wie in einem Bienenstock. So paradiesisch ihr Ausblick auf die Stadt ist, so erbärmlich sind ihre Verhältnisse. Die Jugendlichen sind ständig auf Provokation aus, die Erwachsenen siechen dahin. Die Kommunikation ist nicht konstruktiv sondern aggressiv, auf Gewalt folgt Gegengewalt.
Der Filmtitel „La familia“ führt, wohl bewusst, in die Irre. Hier geht es nicht um ein harmonisches Gebilde, bestehend aus zwei Eltern und einem oder mehreren Kindern. Es geht um zwei Menschen, die die Urfunktion der Familie erfüllen müssen: das Überleben.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen...